Was ist eine Modellbahn?


Der weit überwiegende Teil fachfremder Mitmenschen betrachtet Modelleisenbahn als bloßes Spielzeug und verbindet damit eine "Platte", viele Gleise und Weichen, sowie eine möglichst große Anzahl im Kreis fahrender Züge. Im Gespräch werden gelegentlich modellbahnbegeisterte Familienmitglieder benannt, um einen gewissen Bezug zum Thema herzustellen. In diesem Zusammenhang wird auch oft eine populäre Produktmarke aus Göppingen hervorgehoben.

Diese sicher etwas überspitzte, klischeebehaftete aber dennoch weit verbreitete Vorstellung einer Modelleisenbahn ist auch unter sehr vielen, aktiven Hobbyisten nicht unüblich. Gemeint ist aber vielmehr das klassische Spiel mit einer elektrischen Eisenbahn.


Dem gegenüber stehen ausgesprochene Fachleute und wahre Modellbahnkünstler.

Offenbar überbrückt der Begriff Modelleisenbahn eine gewaltiges Spektrum unterschiedlichster Ansprüche und Fähigkeiten in dieser überaus facettenreichen Thematik.


Um es vorwegzunehmen - keineswegs möchte ich jemandem die Freude an der Modellbahn absprechen. Ebensowenig ist es meine Absicht, spielbegeisterte Hobbyeisenbahner zu "missionieren".

Selbstverständlich sollte sich niemand gezwungen fühlen, die Modellbahnerei möglichst akribisch zu betreiben. Ein weit überwiegender Teil der Modellbahnnutzer sieht in dem Eisenbahnhobby eine reine Entkoppelung von jeglichen Alltagszwängen. Tatsächlich bietet diese Form der Modelleisenbahn völlige Selbstbestimmung und alle Freiheiten - wenn nötig sogar auf kleinstem Raum. Frei von jeglichen Fachtermini dürfte hier der große Spielwert einer elektrischen Eisenbahn im Mittelpunkt stehen.


Es ist nicht meine Aufgabe über andere Hobbyakivitäten oder gar Projekte zu urteilen, ebensowenig über die individuell präferierte Einstellung im Umgang mit einer Modelleisenbahn. Deshalb beschränke ich mich auf meine rein persönliche Ansicht.

Vielmehr ist mir daran gelegen, für einen bestimmten Teilbereich innerhalb der Modellbahnthematik zu sensibilisieren - vielleicht sogar mitzureißen in die großartige Welt der vorbildnahen "3D-Kunstwerke".


An dieser Stelle , liebe LeserInnen, möchte ich die Analogie zum Kochen bemühen.

Jeder von uns ist dazu in der Lage, einen Topf Nudeln aufzusetzen oder einen Fertigpudding nach Anleitung zu zaubern. Manch einer kocht sogar mit großer Leidenschaft und vermag wunderbare Gerichte zusammenzustellen. Dennoch ist es vermutlich nur wenigen Hobbyköchen vergönnt, sich im 3 Sterne-Segment zu bewegen. Es dürfte kaum jemand bezweifeln, dass 3-Sterne-Köche Künstler ihres Faches sind, wahre Talente mit einem ausgezeichneten Feingefühl für Zutaten, Gewürze und Präsentation der kulinarischen Genüsse. Das kleine Beispiel aus der Welt des Kochens zeigt, dass die Speisenzubereitung auf vielen verschiedenen Ebenen erfolgen kann.


Im Kontext der Modelleisenbahn verhält es sich genau so, nur leider ist der Wille zu einer tieferen Auseinandersetzung kaum etabliert, da die Modellbahn - im Unterschied zum Kochen - keine allgemeinen Grundbedürfnisse abdeckt.


"3D-Kunstwerke" - Modelleisenbahnvertiefung in Perfektion


Modelleisenbahnvertiefung in Perfektion ist der vorbildnahe Transfer in einen beliebigen Modellmaßstab. Dieser größtmögliche Anspruch eint erfahrene Modellbauer, spezialisierte Airbrusher, Geländebauer, aber auch Fahrzeug- und Epochespezialisten, sowie Elektronikexperten. Erst durch diesen Anspruch kann ein ambitioniertes Modellbahnprojekt entstehen. Vielfach sind herausragende Umsetzungen durch engagierte Modellbauteams entstanden, manchmal sogar durch Einzelpersonen ganz im Verborgenen. Ein Beispiel dafür ist die faszinierende Nachbildung rund um den Stuttgarter Hauptbahnhof in der Baugröße N.

Bekannte Modellbahnpersönlichkeiten vermitteln außerdem ihr fundiertes Fachwissen in interessanten Publikationen - auch hier gibt es atemberaubende Werke z.B. mit Nachbildungen aus dem Spessart, grandiose Alpenbahnen, Bundesbahn rund um Ottbergen, oder Ruhrgebietszenarien.


Ein Modelleisenbahnprojekt unterscheidet sich also sehr deutlich von dem Spiel mit der elektrischen Eisenbahn, denn es liegen künstlerische und fachliche Fertigkeiten zugrunde.

Es ist gekennzeichnet durch unzählige Recherche,- Planungs,- und Arbeitsschritte.

Die intensive Auseinandersetzung mit der Modelleisenbahn ist das Resultat aus Kreativität,  Geschick, Fleiß und fundiertem Fachwissen. Dazu gehört auch Durchhaltevermögen und der absolute Wille zur tiefen Durchdringung des gewählten Projektes.





Abbildung links:

Die realitätsnahe Gestaltung einer belanglosen Alltagszene. Hier ist es eine Verladerampe und ein bereitgestellter Güterwagen. Der Mercedes-Lkw unterstreicht die Szenerie. Die leeren Paletten und der stillstehende Handhubwagen lassen vermuten, dass die Lagerarbeiter pausieren. Nicht überall auf der Anlage muss "etwas los sein"...

Das Gebäude ist im 3D-Druck entstanden. Der italienische Gabs-Güterwagen (Modellbahn-Union) und der farblich nach Original-Vorlagen feinstens behandelte Wiking-Lkw waren typische Vertreter ihrer Zeit und harmonieren epochal ausgezeichnet miteinander.





Abbildung rechts:

Ein bereits leicht morbide wirkendes Bahnwärterhaus an der elektrifizierten Bahnstrecke.

Hier trägt die realiste Farbgebung neben der defekten Fensterscheibe erheblich zum heruntergekommenen Eindruck bei.

Die Sh-2-Scheibe hat vermutlich längst ausgedient und lehnt ungenutzt an der Wand. Der Wald im Hintergrund ist übrigens keine Fotokulisse, sondern gehört ebenfalls zur Nachbildung. Der herbstliche Eindruck kommt auf diesem Foto besonders gut zur Geltung.

Bei dem Bahnwärtergebäude handelt es sich um einen Bausatz aus dem Hause Auhagen.


Die eigentliche Modelleisenbahn ist im Rahmen ambitionierter Modellbauprojekte nur als einbezogener Teilbereich vieler komplexer Gestaltungsprozesse aufzufassen.

Ein Modelleisenbahnprojekt orientiert sich am direkten Vorbild oder generiert eine fiktiv an das Vorbild angelehnte Situation.


Derartig angelegte Modellbahnprojekte sind durchweg aufwändig gestaltete Kunstwerke von hoher Güte und heben auf dem fachlichen Anspruch des jeweiligen Erbauers ab.

Bezeichnend für herausragende Modellbahnprojekte sind neben den schlüssigen Konzept auch die geschickte Verwendung realistisch wirkender Farben und eine überzeugend wirklichkeitsnahe Gestaltung der Vegetation.

Darüber hinaus entsprechen Kunstbauten, Bahnanlagen und das dazugehörige Umfeld dem gewählten epochalen Zeitfenster und halten auch kritischen Blicken stand.

Der Erbauer schafft innerhalb seines Werkes Schwerpunkte ohne zu überfrachten.


Auch die eingesetzten Eisenbahnmodelle sind mit Bedacht gewählt. Das setzt diesbezüglich ebenfalls gute Kenntnisse voraus.


Die Intention ist also nicht das "Spiel" mit freizügig zusammengestellten Rollmaterial, sondern die qualifizierte Verkleinerung realer oder real wirkender Situationen (z.B. als Diorama), ganze Landschaften, urbane Bereiche, mithin sogar Industrieanlagen nach konkreten Vorbildern.


Die Modelleisenbahn bildet - als ein sinnvoll einbezoges Teilelement - das prägnante Bindeglied im Rahmen der vorgenommenen Gestaltungen. Der vorbildbezogene Betrieb mit entsprechenden Fahrzeugen verschafft schließlich die nahezu perfekte Illusion, einem dem jeweiligen Zeitgeist entsprechenden Bahnverkehr beobachten zu können.

Die heute bereits sehr weit entwickelten Modellbahnfahrzeuge können in vorbildlich durchgestalteten Anlagenbereichen  ihre optische Wirkung voll entfalten.

Ausgereifte Elektroniksysteme unterstützen dabei realitätsnahe Abläufe.  


Meine persönliche Vorstellung von einer Modellbahn


Das ernsthaft betriebene Modelleisenbahnhobby bedeutet für mich die gekonnte Inszenierung möglist nah an der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist dabei meine eigene Wahrnehmung der Sachlage einer bestimmten Vorbildsituation. Allerdings gehört es auch zum Wesen eines Modellbahnprojektes, nicht alles vollumfänglich nachbilden zu können. Vielmehr korrespondiert die Realitätsnähe mit einer gewissen Glaubwürdigkeit für den jeweiligen Betrachter.



Zum guten Schluss...


...mein persönliches Credo:

Jeder Prellbock, selbst ein Bauzugwagen muss zum "Event" werden. 






Abbildung:

Bauzugwagen stellen sicherlich nicht die Prestige-Fahrzeuge der Eisenbahn dar. Oft aus umgebauten Personenwagen hervorgegangen, standen solche Fahrzeuge in mehr oder weniger verwitterten Zustand als Behausung für Rottenarbeiter zur Verfügung oder waren einfach nur noch als Bahnhofswagen in einem entsprechend anmutenden Nebengleis abgestellt.

Dennoch gehören Bauzug-und Bahnhofswagen unbedingt dazu!

Hier ist es ein Minitrix-Modell, dass erst durch das sogenannte "Weathering" die Szene täuschend echt bereichert.

Kaum zu glauben ist, dass der hier gezeigte Prellbock noch aus dem Arnold-Programm stammt.