"Heuwender" auf 9 mm - die Baureihe 191



Mit Erscheinen der 191 089-3 setzte PIKO den stählernen Ungetümen des großen Vorbildes ein würdiges Denkmal in der Baugröße N.

Ganz sicher gehört dieses E-Lok-Modell ganz allgemein auch zu den feinsten und gelungensten Lokkonstruktionen der letzten Jahre im Maßstab 1:160 - erst recht bezogen auf das Segment der Elektrolokomotiven in Spurweite N.


Doch auch ROCO beschäftigte sich bereits seit 1980 mit der Baureihe 191. Im Laufe der langen Produktionszeit führte ROCO schließlich eine Modellpflege durch und bot das verbesserte Lokmodell fortan in Epoche III als E 91 03 an.


Grund genug, sich die beiden Lokomotiven einmal näher anzusehen...





Die Modelle im Maßstab 1:160


ROCO

Bereits im Jahre 1980 bot erstmals der Hersteller ROCO ein Modell der 191 in Baugröße N an.

Es handelte sich um die 191 001 und in einer späteren Auflage um die 191 011 - also Loks mit bayerischem Vorbild.

Ab 1998 erfolgte eine Modellüberarbeitung. Das als E 91 03 bedruckte Maschinchen verfügte nun über glasklare Fenstereinsätze, geänderte Stromabnehmer in rot mit Einfachschleifstück und nach meiner Kenntnis auch über einen neueren Antrieb. Die brünierten Räder, Treibstangen, sowie die klaren Fenster werteten das überarbeitete Modell optisch deutlich auf. Auch die Farbgebung in chromoxidgrün (RAL 6020) gefällt gegenüber Modellen aus früheren Produktionsjahren.


Beachtlich ist die Maßstäblichkeit und eine bis heute immer noch sehr stimmige Gesamtumsetzung - das gilt besonders für die modellgepflegte Lokomotive. Auch die Beschriftung ist wirklich erste Güte und steht der aktuellen PIKO-Lok in keinster Weise nach.



Abbildung:


Zwei 191 stehen fahrbereit vor ihren Güterzügen.

Deutlich sind die Bauartunterschiede zwischen der kantigen, schlesischen und typisch bayerischen Ausführung auszumachen.

Natürlich wird vor dem Detaillierungsgrad der neuen PIKO-191 auch das Produktionsalter der ROCO- E 91 sichtbar. Diese Lok zeigt sich auf dem Foto noch im unbehandelten Original-Zustand. Besonders unvorteilhaft wirken die lieblos konstruierten Stromabnehmer und stören das ansonsten durchaus gelungene Gesamtbild dieser Lok erheblich.




PIKO

Eine wahre Modell-Sensation ist die seit 2022 erschienene 191 098-3 von PIKO. Erfreulicherweise kümmerte sich PIKO um die schlesische Ausführung und lässt damit auch der bereits erwähnten ROCO-Lok ihre Daseinsberechtigung.

Es ist selbstredend, dass zwischen den beiden Modellen auch der Entwicklungssprung mehrerer Jahrzehnte deutlich erkennbar ist. Allerdings ist die aktuelle 191 098-3 auch ein "High-End-Produkt" erster Güte mit einem derart hohen Detaillierungsgrad, wie es kaum eine andere E-Lok der Baugröße N zu bieten hat. Insofern ist der direkte Vergleich zwischen den genannten Modellen schon fast einwenig überzeichnet...


Auf jeden Fall wartet die PIKO 191 mit bemerkenswerten Details auf, welche ich neben der feinen Gravur und einer gestochen scharfen Beschriftung für erwähnenswert halte:


  • Freistehender Laternenhalter unter dem mittleren Stirnfenster
  • Geätzte Scheibenwischerattrappen
  • freistehender Aufstiegsgriff auf der Pufferbohle in feinster Metallausführung
  • Bemerkenswerte ausgestaltete Inneneinrichtung
  • Die Dachausrüstung - phantastisch!
  • Bewegliches Antriebsgestänge für die "De Limon-Spurkranzschmierung" - eine absolute Wucht!


Eine Aufzählung weiterer Details erspare ich mir an dieser Stelle und kann das nur mit bester Kritik kommentieren. Hinzu kommen ausgezeichnete Fahreigenschaften meines analog erwobenen Modells. Die Lok läuft erstaunlich ruhig und liegt satt im Gleis.




Digitalisierungen


Natürlich darf man nicht vergessen, dass es sich um Modelle aus Großserienproduktionen handelt und so verwundert es nicht, dass es immer noch Möglichkeiten zur individuellen Verbesserung gibt.

Wenn das sogar auf die aktuelle PIKO 191 089-3 zutrifft, dann ganz sicher auch auf das Alt-Modell von ROCO.


ROCO:

Das ROCO-Modell gab es natürlich nur analog und die Fahreigenschaften der dreiteilgen Gelenklok waren überaus bescheiden. Das änderte sich erst durch die Digitalisierung mit einem Döhler & Haass - Dekoder DH 10 C mit seiner überaus guten Abstimmung gegenüber älteren Motoren.

Dieser Lokdekoder bildet bei mir den Standard für unbesoundete Digital-Umrüstungen - so auch im Falle der ROCO E 91.

Allerdings denke ich inzwischen über einen weitreichenderen Umbau der Lok mit Sound und diversen Lichtschaltungen nach. Die Motivation zu diesem Schritt liefert natürlich das neue Modell von PIKO - und Hand auf´s Herz - der eigenwillige, unvergleichliche Sound einer Stangen-E-Lok ist schon ein akkustischer Genuss.


PIKO

Dennoch erwarb ich die PIKO-Analog-Version mit der klaren Zielsetzung, einen ZIMO-Sounddekoder zu verbauen. Der Einbau eines Digitaldekoders ist Dank NEXT 18-Schnittstelle auch kein Hexenwerk.

Die Herausforderung liegt vielmehr in der beschädigungsfreien Entfernung der 3 Gehäuseteile, welche in wohlüberlegter Reihenfolge stattfinden sollte. Besonders "haarig" sind die beiden Endgehäuseteile. Es ist allergrößte Vorsicht geboten. Zwar handelt es sich um reine Clipsverbindungen, doch das Spreizen und Emporziehen ist nicht trivial. Deshalb nutze ich zusätzlich zwei superfeine Präzisions-Schraubendreher um schließlich die beiden Endgehäuse beherzt abzuziehen.

Erst zuletzt löste ich das Mittelgehäuse.

Unter dem Gehäuse mit Führerstand 1 befindet sich der versteckte Einbauraum für einen Lautsprecher 16 mm x 9 mm. Zuvor ist allerdings eine verschraubte Platine zu lösen und es sind diverse Kabel abzulöten. Der Einbauraum eignet sich zwar für den 16 x 9, jedoch muss die Schallkapsel deutlich kleiner sein, um Platz zwischen den Absätzen im Einbauraum zu finden. 

Es ist also schon etwas Geschick gefragt, um die PIKO-191 nachträglich mit Sound auzustatten.




Abbildungen:


E 91 03 und 191 089-3 nebeneinander: Trotz Detailgefälle ist auch die modellgeplegte ROCO- E91 weiterhin attraktiv.


Die detailreich ausgeführten Führerräume liefert PIKO verständlicherweise nur einfarbig ab.

Während der Digitalisierungsarbeiten nutzte ich den Moment sofort, um auch diese Top-Details authentisch hervorzuheben.

Das Ergebnis ist mehr als nur überzeugend.


Zur Erinnerung:

Das Modell stammt immer noch aus Großserienproduktion...




Abbildung:


Einbauraum des Lautsprechers in der PIKO-191:

Es sind diverse Kabelverbindungen abzulöten, um Zugang zur Lautsprecherplatzierung zu erhalten. 

Für die Anschlüsse nutzte ich die vorhandenen Lötpads.

In der Lokmitte gibt es hingegen einen komfortablen Einbauraum für den jeweiligen NEXT-18-Wunschdekoder.


Gut sichtbar sind außerdem die farblich nachgearbeiteten Führerräume, sowie die Behandlung der sehr schön angravierten Maschinenraumgestaltung.






Abbildung:


Die digitalisierte ROCO- E 91 mit einem DH 10 C.

In Kürze wird diese Maschine allerdings mit einem Glockenanker-Motor, Sound und LED ausgestattet.





Nachgemessen und erläutert:

Warum sind beide Lokomotiven unterschiedlich lang?


Wenn man beide Modelle von oben betrachtet nebeneinanderstellt, so überrascht auf den ersten Blick der Längenunterschied. Intuitiv möchte man glauben, dass ältere ROCO-Modell sei vielleicht noch nicht so exakt, wie die PIKO-Neuentwicklung.

Hier zeige ich, warum dieser Eindruck definitiv nicht stimmt und erläutere, warum beide Modelle korrekt sind.




Abbildung:


Zwei Lokmodelle der Baureihe E 91 stehen sich gegenüber. Was ist Fakt?




ROCO

Das Modell gibt die bayerische Variante wieder. Das entsprechende Vorbild hatte eine Länge über Puffer von 16.700 mm. Eine maßstäbliche Verkleinerung durch den Devisor 160 ergibt 104,375 mm.

Das ROCO-Modell wurde von mir mit 104,35 mm gemessen. Das ist ein beachtlich genauer Wert und damit ist die Länge über Puffer der E 91 03 über jeden Zweifel erhaben!


Der Radstand ist eine weitere, wesentliche Kenngröße. Es betrug beim ROCO-Vorbild 11.760 mm. Umgerechnet sind das 73,5 mm. Auch hier ist das Modell mit von mir gemessenen 73,8 mm sehr maßhaltig.



PIKO

Die von PIKO hergestellte schlesische Ausführung war beim großen Vorbild um 600 mm länger, als das bayerische Pendant. Das lag an dem zusätzlichen Platzbedarf für den Einbau der elektrischen Bremse. Auch die Radstände wurden verändert und stimmen somit nicht mit der bayerischen Lok überein. Wir legen deshalb die Länge über Puffer von 17.300 mm zugrunde und erhalten bei entsprechender Verkleinerung 108,125 mm. Nach meinen Messungen liegt das PIKO-Modell bei 109,00 mm. Trotz der geringen Abweichung um 0,8 % ist das dennoch ein guter Wert, um auch dieser Lokomotive eine Maßstäblichkeit - bezogen auf die LüP - zu bescheinigen.

Am Rande sei bemerkt, das PIKO die Lok offiziell mit einer LüP von 104 mm angibt, was aber der kürzeren, bayerischen Variante entspricht.


Auch beim PIKO-Modell legte ich das Messwerkzeug an, um mich vom Radstand zu überzeugen. Das entsprechende Vorbild wartete hier mit 12.450 mm auf. Im Maßstab 1:160 ergibt sich demnach 77,81 mm. Meine Messung am Modell ergab einen Gesamtradstand von 78,8 mm.


Zusammenfassend bin ich erstaunt, dass sich die über 40 Jahre alte ROCO-Konstruktion unübertrefflich genau an diesen wichtigen Stichmaßen des großen Vorbildes orientiert. Ebenso überrascht mich, dass die PIKO-191 - bei aller Achtung vor dieser TOP-Umsetzung - hier dem ROCO-Modell unterlegen zu sein scheint.

Ganz sicher aber sind diese Abweichungen völlig akzeptabel und annehmbar - und letztlich mit dem bloßen Auge auch nicht festzustellen. Was zählt ist der gelungene Eindruck eines Modells - und hier spielt die PIKO- 191 unbestritten in der absoluten Top-Liga!






Abbildung:


Der Messchieber ist unbestechlich: Für die Fotos legte ich das Messgerät unmittelbar nach der Messung neben die beiden Lokomotiven.




Kleine Veränderungen mit großer Wirkung



Wie effektvoll bereits die farbliche Ausgestaltung der PIKO- Führerräume sind, ist auf den weiter oben gezeigten Abbildungen eindrucksvoll zu sehen. Mit einwenig Mühe, Geduld und einer sehr ruhigen Hand lassen sich also auch die besten, industriell gefertigten Großserienmodelle weiter optimieren.

Es ist einfach zu schade, der hier gezeigten PIKO- 191 nicht auch den Rest der Innenraum-Imitationen eine gewisse Aufmerksamkeit zu schenken. Bereits auf den ersten Blick störte mich die helle, eintönige Farbe hinter den Maschinenraumfenstern. Aus meinem beruflichen Leben im Umgang mit DB-Altbauelektrolokomotiven weiß ich, dass die Maschinenräume dieser Fahrzeuge fast immer dunkelgrau waren. Es lag also nahe, im Rahmen der stattgefundenen Digitalisierung die Gunst der Stunde zu nutzen, um das angedeutete Innenleben authentisch zu colorieren.


Geht noch mehr - vielleicht sogar an der in die Jahre gekommenen ROCO- E 91 ?

Selbstverständlich kann man mit wenig Farbe und Geschick auch ein älteres Modell aufwerten. Manchmal staunt man, welche Details hervortreten und welche Wirkung nur einige, dezent angebrachte Farbtupfer entfalten können.


Aber auch der Griff in die Ersatzteil-Kiste ist mitunter geboten. Die ROCO- E 91 braucht nämlich dringend neue Stromabnehmer, denn den serienmäßig verbauten "Karikaturen" ist tatsächlich nur durch einen Austausch beizukommen.




Abbildungen:


Die Wirkung des nachbehandelten Maschinenraum-Reliefs gibt dem Modell einen noch wirklichkeitsnaheren Auftritt.

Hier verwendete ich ein dunkles grau als typische Farbe für Maschinenräume der meisten DB-Altbau-Elektrolokomotiven.

Um die feinen Gravuren noch besser hervorzuheben, behandelte ich die entsprechenden Stellen zusätzlich mit einem schwarzen Washing.


Für die farblich korrekte Wiedergabe orientierte ich mich konkret an der noch erhaltenen Museums-Lok E 91 99. Wie bei den allermeisten DB-Altbaulokomotiven, wurde auch die 191 mit braunbeige (RAL 1011) vom AW München-Freimann bedacht. Die Türen zum Maschinenraum, oft auch die Führerstandstüren, sowie das Führerpult erhielten in der Regel diesen Farbton. Mit einigen Vallejo-Farben mischte ich mir den richtigen RAL-Ton an.

Etwa oberhalb der Stirnfenster-Unterkante wurde der Führerraum in altweiss lackiert. Ob die Türen dann auch bis zur Hälfte in weiss mitgestrichen wurden - oder vollflächig braunbeige blieben - wurde unvorhersehbar unterschiedlich gehandhabt.

Übrigens repräsentieren die blauen Flächen in den Maschinenraumtüren blau verglaste Fenster. Diese dienten zur Verdunkelung gegenüber dem Führerraum, um störende Lichteinfälle bei Nachtfahrten zu verhindern. Beim direkten Blick in den Maschinenraum wirkten die blauen Gläser als Lichtfilter und schützten die Augen vor möglichen Lichtbogeneffekten.






Abbildungen:


Diese Sommerfeldt-Stromabnehmer der Bauart SBS 10 warteten in meiner Ersatzteil-Kiste schon lange auf bessere Zeiten: Für die E 91 sind diese Stromabnehmer nicht nur richtiger, sondern auch deutlich gefälliger. Deshalb erhielt das Paar eine Airbrush-Lackierung in RAL 3000 und auch die Stromabnehmer-Grundplatte wurde farblich an das Dach der E 91 angepasst. 


Wieviel mit etwas Farbe, sowie den getauschten Stromabnehmern aus diesem Modell herauszuholen ist, zeigen die beiden Gehäuseteile der E 91 03.

Der Stromabnehmer wirkt völlig anders und ist deutlich überzeugender. Der angedeutete Tragrahmen mit Rillenisolatoren trägt zum positiven Gesamteindruck des neuen Stromabnehmers bei.

Die Spitzenleuchten wurden unter einer Lupenbrille exakt in schwarz abgesetzt, ebenso die gummigefassten Stirnfenster und die angespritzten Kabelimitationen zu den unteren Signalleuchten. Gelbe Farbe erhielten hingegen die nachgebildeten 24-Volt-Stecker der unteren Signalleuchten.


Diese sehr feinen Arbeiten haben mir nicht nur Spaß bereitet, sondern geben der Lok bereits jetzt ein deutlich authentischeres Aussehen.

Es wird nicht nur bei diesen kleinen Verbesserungen bleiben...




Mein persönliches Fazit:


Der "Heuwender" , die Baureihe E 91 - oder in Epoche IV auch 191 - ist eine unglaublich interessante Lokomotive.

Das überträgt sich auch auf die beiden Modelle:

Beeindruckend wie das Vorbild, wirken die gelenkige Bauweise mit den stangengetriebenen Antriebsgruppen auf den Betrachter überaus faszinierend. Das gilt ganz besonders für eine in Bewegung gesetzte Lok dieser Baureihe.


Für beide Modelle sehe ich die Berechtigung und nach Erscheinen der schlesischen PIKO-191 fühle ich mich "getriggert", auch der bayerischen ROCO- E 91 einen technisch und optisch zeitgemäßen Auftritt zu verleihen.

Dazu wird neben anderen Verbesserungen ebenfalls eine feine und sachgerechte Patinierung zählen.


Die Freude an beiden Modellen ist aber schon jetzt uneingeschränkt gegeben.




Abbildung:


Trotz lange zurückliegender Produktion ist auch das ROCO-Modell noch immer faszinierend. Eine optische Verfeinerung ist sicher sehr lohnend, wie dieses Bild zeigt. Die getauschten Stromabnehmer und kleinen Veränderungen verleihen der Lok direkt ein feineres Aussehen.

Hier im digitalen Anlageneinsatz legt sich der bayerische "Heuwender" vor einem Güterzug in die Kurve...




Fortsetzung folgt irgendwann...