E 10 477 - die "Schnurrbart-Lok"



Abbildung:

Das fertig umgearbeitete Modell der "Schnurrbart-Lok".

Die gedankliche Herleitung des Kosenamens dürfte eingängig sein; die Hintergründe zu diesem Modell erkläre ich in dem untenstehenden Textbereich.




Das Vorbild:


Die E 10 477 gehörte zur letzten Lieferserie der bewährten Schnellzugvariante aus dem Bundesbahn-Neubau-Lokprogramm. Wegen der spitz zulaufenden, charakteristischen Kopfform wurden die E 10 ab Ordnungsnummer 288 gegenüber der bisherigen Kastenbauweise im Jargon auch als "Bügelfalten" bezeichnet.

Trotz weitgehend gleicher Technik erhielten die "Bügelfalten" durch diverse Designänderungen ein gefälligeres Aussehen und wirkten deutlich eleganter. Dazu zählte neben der windschnittigen Kopfform auch eine aerodynamische Schürze im Frontbereich. Sogar die Puffer wurden mit einer aufwändigen Verkleidung optisch in das überaus gelungene Erscheinungsbild integriert.

Eine weitere Änderung gegenüber den "Kasten - E 10" war das durchgehende und an den Enden leicht verrundete Lüfterband.

Das bis dahin übliche, silberfarbige Dach mit umlaufender Regenrinne blieb jedoch den "Kasten" - und "Bügelfalten" - E 10 - vorerst - gemeinsam.


Erst mit Ablieferung der E 10 477 im Jahre 1967 änderte sich das äußere Erscheinungsbild nochmals deutlich, denn man verzichtete auf die angeschweißte Regenrinne und lackierte stattdessen auch die Dachrundungen im damals üblichen Farbton RAL 5011 (stahlblau).

Spekulativ bleibt bisher die Farbgebung der oberen Dachpartie ab Dachhaubenkante. Nach intensivem Detailstudium war diese Dachfläche m.E. durchgehend in RAL 7022 (umbragrau) gehalten - abweichend diesbezüglicher Darstellungen anderer Experten. Bemerkenswerterweise wurden dabei offenbar auch die oberen Spitzenleuchten umbragrau lackiert, wie eine publizierte Farbaufnahme der fabrikneuen Lokomotive unzweifelhaft zeigt, ebenso die Wartungsluken und Stromabnehmer-Befestigungspunkte. Das lässt zumindest den sinnergebenden Schluss zu, dass diese Teile folglich in eine umbragraue Dachfläche einbezogen waren.


Sicher ist:

Mit dem Entfall der Dachkante und der entsprechend durchgezogenen Lackierung in Lokfarbe setzte die

E 10 477 erstmals farbliche Akzente, deren Anwendung sich über rd. zwei Jahrzehnte auf den überwiegenden Großteil anderer Neubaulokomotiven auswirkte - ganz unabhängig von der jeweiligen Baureihe:

Ob Neuablieferung oder Ausbesserung - die jeweilige Lokkastenfarbe einer 110, 112, 140, 141 oder 150 wurde um die Dachrundung hinweg bis zum umbragrauen Dachbereich durchgezogen.

Dieses grundsätzliche Vorgehen setzte sich mit ganz wenigen Ausnahmen sogar bis in die ozeanblau-elfenbein-farbige Epoche durch.


Nicht durchgesetzt hatte sich hingegen der "Schnurrbart" - zwei weiße, horizontal angeordnete Streifen in Höhe der unteren Spitzenleuchten. Auch das obere Spitzenlicht in der Dachfarbe umbragrau blieb schließlich nur der E 10 477 vorbehalten.

Die E 10 477 blieb ein farbliches Einzelstück und trotz ansprechender Gestaltung doch selten fotografiert.



Abbildung:

Diese Originalaufnahme stellte mir freundlicherweise Herr Ulrich Budde zur Verfügung.

E 10 477 im Bw München Hbf am 27.06.1968




Leider endete die Einsatzzeit der späteren 110 477-7 äußerst tragisch:

Ein Dammrutsch bei Großkönigsdorf (Strecke Aachen - Köln) war Ursache für die Entgleisung des von der
110 477-7 beförderten D 225 im Jahre 1983 und riss dabei auch 6 Menschen in den Tod. Die Lok selbst war durch den Aufprall an einem Brückenpfeiler unfassbar schlimm deformiert und konnte nur noch ausgemustert werden.




Das Modell:


In der Baugröße "N" wurde die E 10 477 nur von Hobbytrain als Conrad-Sondermodell unter der Nummer 241028 angeboten. Bedauerlicherweise berücksichtigte der Hersteller jedoch nicht die prägnante Farbgestaltung im Dachbereich der Vorbild-Lok, sondern lieferte das Modell fälschlicherweise mit silbernen Dach und umlaufender Regenrinne.

Dieses unübersehbare Manko in der Modellwiedergabe konnte ich für mich nicht akzeptieren und passte die Lok den Vorbild-Gegebenheiten an.

Die kleine Fotoserie zeigt die entsprechenden Arbeitsschritte und das überzeugende Ergebnis.



Abbildung:

Das serienmäßige Ausgangsmodell der Hobbytrain-Lok.

Eine echte Herausforderung bildete die saubere Entfernung der angespritzten Dachkante und eine hochwertige Lackierung ohne sichtbare Farbunterschiede.






Abbildungen:

Zugegeben - es bedarf schon einer gewissen Überwindung das Skalpell an einem Modell anzusetzen. Auf jeden Fall ist bei diesen Arbeiten äußerste Konzentration gefordert, denn ein einzigiger, verkehrter Schnitt kann das komplette Modell ruinieren.

Hier darf das Skalpell erstens nicht zu tief in das Material eindringen und zweitens darf unter keinen Umständen das Lüfterband beschädigt werden.


Die fertigen Schnitte werden mit sehr viel Geduld schrittweise verschliffen. Zunächst trocken mit 400er und 600er Körnung, im anschließenden Nassschliff arbeitete ich mit 800er und 1000er Körnung.





Abbildungen:

Eine Lackierung zeigt schonungslos sämtliche Schwächen der Vorbehandlung. Hier ist aber alles in Ordnung und die blaue Lackierung stellt mich sehr zufrieden. Dabei galt es jedoch, den Farbton genau zu treffen. Deshalb mischte ich die Vallejo-Farben zunächst experimentiell solange, bis sich der Farbton exakt der Hobbytrain-Lackierung anglich. Als Lackierkanten wählte ich die vorderen Griffstangen, sowie die Vertiefungen der Führerstandstüren.


Den letzten Lackierschritt bildete die umbragraue Dachfläche respektive Dachhauben. Für die Bestimmung der umbragrauen Lackbereiche analysierte ich entsprechende Vorbildfotos der E 10 477.
Eine Orientierung an einer serienmäßigen Modellumsetzung der E 10 477 in der benachbarten Spurweite TT war hingegen - bezogen auf den umbragrau zu lackierenden Dachbereich - nicht hilfreich.




Abbildungen:

Der Zusammenbau bot die Möglichkeit, sich auch den Führerständen, sowie der Dachausrüstung zu widmen. Die vorbildwidrigen, resedagrünen Führerstände sind nun in rotbraun ausgelegt und das Führerpult in antrazit-metallic. Grüne Sitzflächen vervollständigen den deutlich besseren Eindruck von einem entsprechenden Führerstand der Einheits-E-Loks.
Die Dachleitung ist nun feuerrot, ebenso die Traversen der Stromabnehmer und verschiedene Details an dem Dachhauptschalter.
Auch die Stromabnehmer wurden getauscht. Das Modell verfügt nun  über die weitaus besseren Sommerfeld-DBS 54.


Technisch kümmerte ich mich neben der Digitalisierung mit einem PD10-Decoder um den Austausch der gelben LED gegen baugleiche LED mit warmweißer Abstrahlung.



Abbildungen:

Die Stromabnehmer-Grundplatten erhielten ebenfalls die Dachfarbe "umbragrau".
Hingegen sind die Laufroste mittels Graniertechnik farblich hervorgehoben worden.

Aus dieser Pespektive fällt auch das umbragraue, obere Spitzenlicht auf.




Abbildungen:

Diese Aufnahme zeigt, wie stimmig das Modell nun auf den Betrachter wirkt. Neben der gelungenen Lackierung tragen auch die vorbildnahen Führerstandsfarben zu diesem realistischen Eindruck der E 10 477 bei.