Modelle mit Vorbildcharakter



Mir liegt sehr viel daran, dass die von mir gesammelten und eingesetzten Fahrzeuge nicht nur überzeugend wirken, sondern einen möglichst deutungsfreien Vorbildbezug aufweisen. Aber was bedeutet das in der Praxis?

Zunächst muss man sich stets vor Augen führen, dass wir über den Maßstab 1:160 sprechen und diese starke Miniaturisierung natürlich unumgängliche Kompromisse mit sich bringt.

Die Spur-N-Standardkupplung, wesentlich breitere Laufflächen und überdimensionierte Spurkränze sind solche Kompromisse und lassen sich nur sehr bedingt bereinigen. Deshalb blende ich diese standardmäßigen Gegebenheiten aus und lebe damit. Bereits die Überlegung, annähernd Tausend Wagen-Modelle, sowie eine weitere große Anzahl an Lokomotiven umzurüsten, führen schnell zur Ernüchterung und zum Blick auf die Erlebenswahrscheinlichkeit. Deshalb wende ich mich sehr viel lieber dem "makroskopischen" Erscheinungsbild der Modelle zu, noch deutlich bevor die Lupe gezückt wird.


Meine erste Frage widmet sich deshalb der Frage, ob das betreffende Modell überhaupt ein konkretes Vorbild hat oder hatte.


Ist die Antwort bei vielen Lokomotiven oft noch mit mehr oder weniger moderatem Aufwand zu beantworten, so sieht die Sache bei Wagen - insbesondere Güterwagen - schon ganz anders aus.

Nicht selten dauert die Recherche sehr lange und bleibt bisweilen auch erfolglos. Unzählige Beispiele beschreiben Fahrzeugmaterial als "vorbildgerecht beschriftet", oder Texten wie  "eingestellt bei der DB". Hier denke ich an die vielfachen Phantasiebedruckungen des Kühlwagens Tehs 50. Wohl kaum ein Wagen wurde so häufig für vorbildfreie Bedruckungen entfremdet, wie dieser Güterwagen. Am Ende des Tages ist gewiss, dass es nur ganz wenige Vorbildwagen dieser Bauart mit Werbung gab.

Ähnliches gilt für bunte Kesselwagen - ein hochinteressantes Spezialthema mit reichlich Potential.





Abbildungen:

Fast perfektes Arnold-Hornby-Modell eines Tehs 50 mit authentischer Löwenbräu-Beschriftung - einer der wenigen Tehs 50 mit konkretem Vorbild.

Leider fehlen die Flettner-Rotoren auf dem Dach dieses noch "schachtelfrischen" Wagens.


Auch der Fleischmann-Hbis 299 entspricht absolut einem konkreten Vorbild. Die Kulmbacher Brauerei verfügte sogar über eine ganze Anzahl dieser Wagen, sowie älteren Bauarten. Leider ist die verwendete Modellform etwas in die Jahre gekommen.





Der nächste Blick gilt dem gesamten Erscheinungsbild des betreffenden Modells.


Wie gut sind die Proportionen getroffen? Wirkt der erste Farbeindruck stimmig?


Hier ist ein anderes Urteilsvermögen gefragt, denn die reine Recherche in der Frage nach der reinen Existenz eines passenden Vorbildes genügt nicht. Vielmehr ist es erforderlich, sich intensiver mit dem Vorbild auseinanderzusetzen, um das betreffende Fahrzeug in irgendeiner Weise besser bewerten zu können. Hier helfen neben entsprechenden Vorbildfotos auch der ganz persönliche Sinn für Farben und Formen.

Oft sind es nur kleine, aber entscheidende Merkmale, welche einem Modell das markante Erscheinungsbild verleihen, oder das Modell im Zweifelsfalle fremd erscheinen lassen.


Ganz sicher ist das heutige Anspruchsdenken deutlich gestiegen und die Modellvielfalt fast unüberschaubar. Die Modelle werden insgesamt ausgefeilter und filigraner. Dennoch stelle ich für mich persönlich immer wieder fest, dass so manch älteres Modellfahrzeug durchaus ansprechend und in seinen Proportionen ebenso korrekt sein kann.

Ein Beispiel dafür sind die sogenannten Einheitselloks der deutschen Bundesbahn, deren Variantenvielfalt nahezu unermesslich sind.

So gibt es in meiner Sammlung durchaus eine ganze Reihe älterer Vertreter der Einheitselloks, ohne dass ich den Bedarf verspüre, diese durch neuere Modelle zu ersetzen.



Abbildungen:

Blick auf das Vorbild: Im Jahre 2006 ergab sich diese schöne Szenerie im Bahnhof Freilassing.







Abbildungen:

Beispiele von erstaunlich guten, ebenfalls noch weitgehend unbehandelten Einheitselloks aus älterer Produktion, hier von Fleischmann.

Die groben Standard-Scherenstromabnehmer tauschte ich jedoch gegen feinere Sommerfeldt DBS 54. Das geschah übrigens an sämtlichen meiner Loks mit entsprechendem Bedarf.

Insgesamt wirken diese beiden Beispiel-Lokomotiven in ihrer Gesamterscheinung absolut stimmig, obwohl Abstriche im Detailbereich gemacht werden müssen.

Was aber nutzen die feinsten Details, sollten wichtige Proportionen die typische Erscheinung einer Vorbild-Lok nicht wiederzugeben vermögen?

Diese Frage muss sich natürlich jeder selbst beantworten.

Sicherlich werden diese beiden Modell-Einheitselloks - stellvertretend für viele andere Fahrzeuge - auch weiterhin ihre Berechtigung haben.




Nach dem Gesamteindruck interessieren mich die Details.


Dazu unterziehe ich das Modell sehr kritischen Blicken. Brille und Lupe gehören nun zur Ausstattung, denn ich möchte es möglichst genau wissen. Aber wie schon gesagt - in diesem Maßstab gehören Kompromisse als ständige Begleiter dazu. Es gilt also abzuwägen, ob die Details und mögliche Abweichungen noch innerhalb der persönlichen Toleranz liegen. Möglicherweise lassen sich Unzulänglichkeiten auch korrigieren.

Dazu gehört allerdings das Wissen über die entsprechenden Vorbilder oder entsprechende Vergleichsmöglichkeiten.





Abbildung links:

Diese wirklich sehr schöne, aber betagte BR 150 ist ein Total-Umbau: 

Das ansprechend patinierte und mit feineren Stromabnehmern versehene Fahrzeug ist aus einem Roco-Gehäuse und Arnold-Technik entstanden. Dazu wurde das völlig unzureichende Arnold-Gehäuse entfernt und das viel zu breite Chassis auf der Fräsmaschine den Gegebenheiten des Roco-Gehäuses angepasst. Die erstaunlich guten Drehgestelle der Arnold-150 wurden komplett weiterverwendet.

Den Umbau führte ich vor dem Hintergrund unzureichender Fahreigenschaften des Roco-Ausgangsmodells durch.


Die nun auch  äußerst zugkräftige Güterzug-E-Lok erfüllt meinen Anspruch an ein überzeugendes Modell, denn es gibt die gesamte Charakteristik einer 150 überraschend gut wieder. Abstriche gibt es natürlich auch bei dieser überarbeiteten Lok.



Abbildung rechts:

Oft sind Veränderungen im Detail nötig, um alte Modelle wieder attraktiv zu machen. Hier handelt es sich um eine Arnold 141 mit völlig neuer Dachausrüstung, DBS 54-Stromabnehmern und einer Neulackierung. Das dezente Hervorheben der Laufroste, sowie gezielt eingesetzte Patinierungstechniken machen die eigentlich bereits abgeschriebene Arnold-Lok zu einem vorbildorientierten und individuellen Fahrzeug.


Die farbliche Anpassung der Stromabnehmergrundplatte an die Dachfarbe gehört übrigens bei meinen Elektrolokomotiven zum absoluten Standard. Die Wirkung dieser kleinen Modifikation ist enorm.








Abbildung links:


Fast "non plus ultra"


Detailaufnahme einer schachtelfrischen Vorserien-216 aus neuester Produktion.

Der Detailreichtum ist enorm, die Verarbeitung setzt völlig neue Maßstäbe in der N-Spur. Man beachte die durchbrochenen Rangiertritte, sowie die filigranen Griffstangen. Nur die etwas zu klein geratenen Puffer möchten nicht so wirklich gefallen.







Technische Ausstattung und Fahreigenschaften


Natürlich gehören die Fahreigenschaften eines Modells ebenfalls in die Gesamtbetrachtung, denn schließlich soll sich ein Modell auch dem Vorbild entsprechend bewegen oder akkustisch überzeugend wirken. Die heutige Digitaltechnik eröffnet hier schon enorme Möglichkeiten.

Besonders auch mit Blick auf ältere Fahrzeuge kompensieren hochmoderne Dekoder in vielen Fällen die Schwächen einst analoger "Rennsemmeln". Auch lichttechnisch zeigen sich die Fahrzeuge sehr vorbildnah, oder können entsprechend umgerüstet werden.


Fahrzeuge aus aktueller Produktion sind werkseitig durchaus kleine Wunderwerke und zumeist mit allen denkbaren Funktionen ausgestattet.





Abbildung oben:


Wendezüge gehörten oft zu den Leistungen der Baureihe 140, sofern es sich um die Ordnungsnummern ab 140 757 handelte.

Es gab auch einige wenige, nachträglich umgerüstete 140 mit Wendezug- und Doppeltraktionssteuerung. Eine davon war die 140 362-5.


Die Umrüstung auf LED-Lichttechnik dieser 140 819-4, - wohlgemerkt - einem Fleischmann-Modell aus den 70er Jahren, ermöglicht nun den vorbildgerechten Wendezugbetrieb. Neben einem weiteren Minitrix-Modell aus jener Zeit gibt es bis heute keine Neukonstruktion einer wendezug- und doppeltraktionsfähigen 140 in der Baugröße N. Umsomehr begrüße ich, dass dieses alte Modell mit einiger Nacharbeit auch heutigen Ansprüchen gerecht werden kann.






Abbildung:


Die 140 362-5 gehörte ebenfalls zu den wendezug- und doppeltraktionsfähigen Loks der Baureihe 140.

Basis für dieses Modell ist eine ältere Fleischmann 110. Nach der Umbeschriftung stimmt nun auch die Dachausrüstung, denn die 140 hatte keine E-Bremse und somit keinen Bremswiderstandslüfter, so dass sich der langen Dachaufbau ohne Kühlöffnungen zeigt.


Absolut passend auch zum Vorbild die umlaufende Griffstange, das geteilte Maschinenraumfenster und die rechteckigen Klatte-Gitter.

Das Steuerkabel gehört jedoch noch nachgerüstet.



Fazit:


Es bereitet mir persönlich immer wieder Freude, durch die verschiedensten Techniken sowohl optisch als auch technisch so manch einem Modell eine zuvor ungeahnte Attraktivität zu verschaffen.


Neben handwerklichen Geschick und Sachkunde bieten moderne Materialien, Airbrush, 3D-Druck und Modellbahndigitaltechnik die zeitgemäßen Grundlagen, um ansprechende Ergebnisse zu erzielen.

Ein selbst verfeinertes oder umgebautes Modell - fachgerechte Umsetzung vorausgesetzt -  ist nicht nur ein Unikat, sondern bietet vorallem eine große innere Zufriedenheit.


Den Lesern wünsche ich bei allen Projekten stets gutes Gelingen!