V 200 der DB - kleine Modellbahnsachkunde


Wer kennt sie nicht, die V 200 der Deutschen Bundesbahn?

Über Generationen hinweg konnten selbst völlig Unbedarfte der eleganten, roten Großdiesellok V 200 ein konkretes Bild zuordnen.


Das ist auch nicht erstaunlich, denn die V 200 gehörte ganz sicher zu den legendärsten und bekanntesten Lokomotiven überhaupt.

Diese formschönen Maschinen symbolisierten das deutsche Wirtschaftswunder schlechthin und verkörperten den Zeitgeist moderner Mobilität. Viele Jahre waren die V 200 Prestigefahrzeuge und bespannten entsprechend hochwertigste Züge.

Erst mit der fortschreitenden Elektrifizierung wurden die beindruckenden Großdiesellokomotiven in untergeordnete Dienste verdrängt.


Aber was verbirgt sich denn tatsächlich hinter der Bezeichnung "V 200" und warum ist es mir diese kleine Ausarbeitung wert?

Der Grund liegt nicht alleine in meiner absoluten Begeisterung für die V 200.

Mein Anliegen ist vielmehr, dem geneigten Modellbahner eine Orientierungshilfe bei der Auswahl und dem vorbildgerechten Einsatz der V 200-Lokomotiven anzubieten. Deshalb beschränke ich mich bewusst auf Hinweise, die für den vorbildinteressierten Modellbahner interessant sind.



So möchte ich gleich zu Beginn eine Aussage treffen:


Die "V 200" ist nicht einfach nur eine Baureihe. Es ist der Oberbegriff für eine ganze Familie unterschiedlicher Bauarten, Ausführungen und Lieferserien. Hinzu kommt die Umstellung auf computergerechte Loknummern - für den Laien wird es spätestens hier komplex - leider aber auch für manch einen Modellbahnhersteller. Die Bezeichnung selbst stand für Verbrennungslokomotive mit 2000 PS. Die Leistungsangabe wurde mit 10 multipliziert, so wie es dem seinzeitigen Nummernschema entsprach.


Eine V 200.0 ist bitte sehr keine V 200.1...


Wir gehen nochmal zurück in das Jahr 1953, denn zu diesem Zeitpunkt wurden die ersten Vorserienlokomotiven der Baureihe V 200 der Öffentlichkeit vorgestellt und Vorführfahrten sogar bis in die Türkei vorgenommen!

Die V 200 verfügte mit ihrer dieselhydraulischen Antriebstechnik in Verbindung mit dem relativ leicht ausgeführten Lokkasten in selbsttragender Bauweise über ein enormes Leistungsgewicht im Vergleich zu dieselektrischen Lokomotiven jener Zeit. Nie zuvor wurde eine dieselhydraulische Lok in dieser Größenordnung gebaut. Das war seinerzeit wirklich bahnbrechend.

Den 5 Vorserienlokomotiven folgten insgesamt 81 Serienmaschinen - und zwar in 2 Lieferserien.

Somit war folgende Situation gegeben:


5  Exemplare der Vorserien- V 200, nämlich V 200 001 - V 200 005 (technisch sehr abweichend)

5o Exemplare der Serien- V200, nämlich V 200 006 - V 200 055  (1. Lieferserie)

31 Exemplare der Serien- V200, nämlich V 200 056 - V 200 086  (2. Lieferserie)


Man konnte nicht ahnen, dass die 2.200 PS-starken Maschinen schon bald mit den ihnen zugedachten Aufgaben überfordert würden - reihenweise gab es Maschinen- und Getriebeprobleme.


Die Lösung war eine ab 1962 auf die Gleise gestellte , völlige Neukonstruktion - die V200.1 betrat die Bühne.

Deshalb war ab diesem Zeitpunkt auch eine eindeutige Unterscheidung zwischen diesen beiden V 200-Bauarten notwendig:


V 200.0  -  wobei die 0 hinter dem Punkt die erste Stelle der Ordnungsnummer symbolisierte, z.B. V 200 027

V 200.1  -  die neu hinzugekommene Baureihe begann mit der Ordnungsnummer 1, z.B. V 200 127


Die neue Baureihe V 200.1 war entschieden leistungsfähiger. Das ähnliche Design und die grundlegenden Konstruktionsprinzipien verleiten sehr zum Verwechseln dieser beiden Lokomotiven. Tatsächlich handelt es sich jedoch um völlig unterschiedlich ausgeführte Bauarten.

Exemplarisch möchte ich nur einige, wenige Unterschiede (von vielen weiteren) aufzeigen:


V 200.0

V 200.1

2 x 1.100 PS ( 3 unterschiedliche Motorbauarten möglich)

2 x 1.350 PS (konsequent ein verwendeter Motortyp)

elektrische Drehzahlverstellung / 6 Fahrstufen

elektropneumatische Drehzahlregelung / 15 Fahrstufen

Getriebeeingangsleistung entsprach Motorabtriebsleistung

Getriebeingangsleistung: 1800 PS

Maschinenraumaufteilung: Offen, 1 Seitengang

Maschinenraumaufteilung: Unterteilt, 2 Seitengänge

Heizkesselanlage: Wasserraumkessel

Heizkesselanlage: Zwangsdurchlaufkessel

Wendezug- und Mehrfachtraktionsfähig

Nicht Wendezug- und Mehrfachtraktionsfähig






Abbildungen:

Die 221 135-7, also eine ursprüngliche V 200.1, erhält einen Tauschmotor der Bauart MTU 12V 652 (frühere Bezeichnung: MB 835). Diese 12-Zylinder-Motoren hatten einen Hubraum von 78 Litern und wurden zu Bundesbahnzeiten in der Baureihe 221, aber auch in verschiedenen 211, allen 212, 213 und 290 verwendet.


Auf der oberen Aufnahme deutlich zu erkennen ist der auf dem Turbolader montierte Kompensator; hier wird später noch der Abgasschalldämpfer aufgesetzt. Ganz klar handelt es sich um eine Lok der 2. Lieferserie. Die erste Lieferserie hatte an gleicher Stelle hingegen ein bloßes Rohr mit Regenschutzklappen.


Die hellen Verbrennungsluftschächte werden mit den Luftfilterkästen hinter den darüber liegenden Lüftergittern verbunden.


Die beidseitige Begehbarkeit und räumliche Abtrennung der Motorkammern gegenüber dem restlichen Maschinenraum sind eine weitere Verbesserung gegenüber der V 200.0, also der BR 220.



Auch die V 200.1 bestand aus 2 Lieferserien, denn bereits im Jahre 1965 wurden weitere Exemplare abgeliefert:


20 Exemplare V 200.1, nämlich V 200 101 - V 200 120 (1. Lieferserie)

30 Exemplare V 200.1, nämlich V 200 121 - V 200 150 (2. Lieferserie)


Dazu auch zwei weitere Feststellungen:
Die V 200.1 hatte keine eigene Vorserie, denn in diese Lokomotiven sind alle Erfahrungen der V 200.0 eingeflossen.

Alle V 200.0 und alle V 200.1 waren tatsächlich als V 200 im Einsatz, bevor ab 1968 die Umzeichnung in das neue Loknummernsystem stattfand.


Baureihenbezeichnung nach 1968:


V 200.0 => 220

V 200.1 => 221


Die Ordnungsnummern erhielten am Ende eine zusätzliche Kontrollziffer. So wurde beispielsweise aus der V 200 030 die 220 030-1 und die

V 200 135 trug fortan die Nummer 221 135-7.



V 200.1 - Betriebsnummern-"Salat" und die Sache mit den Lieferserien...


Leider entstehen hier die größten Unstimmigkeiten, denn immer wieder recherchieren auch die Modellbahnhersteller nicht gründlich genug.


Die Abbildung oben zeigt zwei Lokomotiven der Baureihe V 200.1, also der BR 221. Während die obere Lok (PIKO) eine 221 der 1. Lieferserie darstellt, handelt es sich bei der unteren Lok (Fleischmann) um die Nachbildung der 2. Lieferserie.

Gut zu unterscheiden ist das an den Abgasöffnungen:

Gegenüber der 2. Lieferserie verfügten die erstgelieferten V 200.1 über keinerlei Schalldämpfer. Das am Originalmotor gezeigte Abgasrohr mündet direkt im Dachsegment. Das Piko-Modell zeigt korrekterweise die Regenverschlussklappen in der Mitte der kreisrunden Auspufföffnung. Auch die Maschinenraumentlüftung fand über die Sogwirkung statt, weshalb es keine elektrischen Maschinenaumlüfter gab.


Anders verhält es sich mit der 2. Lieferserie:

Unter dem Dachsegment war ein Abgasschalldämpfer montiert, an dessen Ende zwei rechteckige Abgasöffnungen austraten. Das hat Fleischmann korrekt umgesetzt, ebenso die zusätzlichen, asymmetrisch angeordneten Maschinenraumlüfter neben den Abgasöffnungen.

Ein weiteres Detail ist das zusätzliche Laufrostgitter über den beiden Lüfteranlagen - typisch für die 2. Lieferserie.

Auf jeden Fall sind die unterschiedlichen Formen von beiden Herstellern präzise wiedergegeben.


Es stellt sich allerdings die Frage, ob denn die Ordnungsnummern zum jeweiligen Modell passen. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen ...


... doch bei diesen beiden Modellen ist alles in bester Ordnung, wie die untere Aufnahme zeigt.


Links das Piko-Modell mit der Ordnungsnummer 115 (1. Lieferserie), sowie rechts das Fleischmann -Modell mit der Ordnungsnummer 134, passend zur 2. Lieferserie. Die beiden ebenbürtigen N-Modelle ergänzen sich genau aus diesem Grunde hervorragend.

Leider finden sich bei beiden Herstellern jedoch auch verkehrte Bedruckungsvarianten im Programm (und nicht nur dort...), so dass man auf der Hut sein sollte, sofern man auf diese Details Wert legt.

Übrigens sind noch zwei andere Details gut erkennbar:

Das Piko-Modell zeigt eine für AK-Kupplung vorbereitete Pufferbohle, das Fleischmann-Modell zeigt die ursprüngliche Version. Auch die beiden Lackierungsvarianten im Dachbereich sind völlig richtig und authentisch. Das trifft auch auf die unterschiedliche Farbe, Größe und Position der DB-Kekse samt Betriebsnummern zu.




V 200.1 / BR 221

 200.1 / BR 221

1. Lieferserie (ohne Schalldämpfer)

2. Lieferserie (mit Schalldämpfer)

221 101 bis 221 107 , sowie 221 109 bis 221 120

221 121 bis 221 150

Ausnahme: 221 108  war Prototyp für Schalldämpfung


Ausnahme: 221 103 war zeitweise mit Schalldämpfung versehen



... und wie war das noch mit dem Schriftzug "DEUTSCHE BUNDESBAHN" ?


Hier erliegen Modellbahner immer wieder dem weit verbreiteten Irrtum, dass alle V 200 zwingend den seitlichen Schriftzug "DEUTSCHE BUNDESBAHN" in erhabenen Lettern trugen. Das ist natürlich nicht richtig.

Vielmehr war dieser Schriftzug nur der Baureihe V 200.0 vorbehalten - und auch hier lediglich bei den erstgelieferten Loks bis zur Ordnungsnummer 055, sowie den 5 Vorserienmaschinen.

Bereits die zweite Lieferserie von V 200 056 bis V 200 086 hatten nie diesen Epoche III-typischen Schriftzug.

Selbstredend gab es natürlich auch keine V 200.1 mit diesem prägnanten Merkmal.



Abbildung oben:

Drei Lokomotiven der Baureihe V 200.0, bzw. 220:

Das Vorbild der links hinten stehenden 220 085 hatte nie den Schriftzug "DEUTSCHE BUNDESBAHN", die rechts im Hintergrund stehende 220 027 jedoch sehr wohl. Der Schriftzug war allerdings nur in der Epoche III an der V 200.0 üblich.





Abbildung oben:

Ein "Stelldichein" zweier V 200.0, also der BR 220: 

Links das Roco-Modell einer 220 der 1. Lieferserie, rechts das Minitrix-Pendant der 2. Lieferserie.

Auffällig ist die unterschiedliche Breite der vorderen Wartungstür, sowie deren seitenverkehrte Griffanordnung. Tatsächlich ist die Türbreite an beiden Lokmodellen völlig richtig wiedergegeben. Hier ist allerdings anzumerken, dass die spiegelbildliche Griffanordnung der Roco-Lok nur auf die V 200 026 bis V 200 045 zutrafen.


Die ovalen Gitterabdeckungen über den Stirnlampen gab es bei allen V 200.0 -Serienlokomotiven und allen V 200.1. Mit Blick auf die Lokfront verbarg sich hinter der linken Gitterabdeckung das Typhon, die rechte Abdeckung diente hingegen als Luftzufuhr für das kühlwasserdurchflossene Führerraumheizgerät mit Ventilator.








Abbildung oben:

Drehgestelle der BR 220 in unterschiedlicher Ausführung:

Links mit der ursprünglichen Schrauben- und Blattfederung, rechts mit der geänderten Entkoppelung nebst Gummifederblöcken.

Dieser später durchgeführte Umbau wurde übrigens auch an allen 221 vollzogen und verbesserte die Laufruhe erheblich.


Abbildung rechts:

Drehgestell der BR 221, ebenfalls noch mit der ursprünglichen Schrauben- und Blattfederung.

Deutlich zu sehen sind auch die Änderungen gegenüber der BR 220. Anstatt liegende Bremszylinder, waren diese bei der 221 vertikal angeordnet. Das Bremsgestänge befand sich zudem vor der äußeren Radebene. Verschiedene Geber auf der Radmitte, sowie das Gleitschutzventil sind hier ebenfalls vorbildentsprechend nachgebildet und gut sichtbar.


Übrigens hatte die BR 221 auch anders geformte Radscheiben.






Abbildungen oben:

Details an der 221 134-0 : Der Geräteschrank des Heizkessels wurde von mir farblich korrekt herausgearbeitet und auch die Führerstandseinrichtungen sind entsprechend bearbeitet. Das Fahrschalterhandrad gab es übrigens in der BR 220 nicht; dort war eine Fahrkurbel vorhanden.




Abbildungen oben:

Diese lieblos kreierten Lackierungen entstellten die formschönen V 200 beider Bauarten. Dennoch gehören die ozeanblauen Farbvarianten mit zur Geschichte dieser Lokomotiven.

Die Baureihe 220 blieb mit nur 3 Exemplaren allerdings weitgehend verschont, während es zum Einsatzende der 221 gerade noch 3 pupurrote 221 gab. Das für diese Lokform unpassend wirkende Design brachte übrigens den ozeanblauen 221 den Kosenamen "Osterei" ein.


Abgebildet sind die korrekte 221 137-3 von Fleischmann (passend zur 2. Lieferserie), sowie die 220 023-6. Letztgenanntes Modell wurde sehr fein patiniert und farblich feinstens bearbeitet. Zudem verbaute ich Sound und LED-Beleuchtung.





Welche V 200 ist denn wofür einsetzbar?


Beide Versionen der V 200, respektive der später entsprechend in die Baureihen 220 und 221 umbenannten Loks wurden viele Jahre für den mittelschweren bis schweren Schnellzugdienst, aber auch im Güterverkehr eingesetzt.

Zunächst waren die V200.0 in der Frühzeit auf vielen Hauptmagistralen aufgrund der noch fehlenden Elektrifizierung unterwegs.


Die klassischen Einsatzschwerpunkte für beide Baureihen waren jedoch bis in die 70er Jahre der süddeutsche und der norddeutsche Raum: Schwarzwaldbahn, Allgäubahn und Vogelfluglinie sind die bekanntesten "Hausstrecken" beider Baureihen.

Dennoch unterschieden sich die Einsätze in den späteren Jahren zunehmend voneinander.

Während in den letzten Einsatzjahren sämtliche 220 den norddeutschen Betriebswerken Oldenburg und Lübeck zugeordnet wurden, verlagerte sich das Betätigungsfeld der leistungsstärkeren 221 immer mehr in das Ruhrgebiet.

Bis in das Jahr 1984 bespannten Lübecker 220 vorwiegend Eil-, Nahverkehrs- und Wendezüge. Auch im mittelschweren, regionalen Güterverkehr waren die Loks zu finden.

Die 221 verfügten über keine Mehrfachsteuerung und waren deshalb für Wendezüge nicht geeignet. Vorwiegend im schweren Montanverkehr wurden die  immerhin 140 Km/h schnellen Maschinen von Gelsenkirchen-Bismarck, bzw. Oberhausen-Osterfeld betrieben. Dabei entnahm man aus den meisten der nur noch im Gütervekehr befindlichen 221 die kostenintensive Dampfheizung und ersetzte diese durch Warmhaltegeräte. Die zuletzt wenigen, noch mit Dampfheizung versehenen 221 konnte man jedoch gelegentlich auch noch vor Wintersportzügen in das Sauerland oder in die Einfel beobachten. Im Mai 1988 endete schließlich mit letztmaligen Einsätzen der 221 die V 200-Ära bei der Deutschen Bundesbahn. Bereits 1984 schied die Baureihe 220 aus dem Betriebsdienst.


Für den Modellbahner sind also sehr viele Zuggarnituren mit diesen hochinteresanten Lokomotiven möglich - von Vorkriegseilzugwagen, über Silberlinge und Umbauwagen, bis hin zu den UIC-x-Reisezugwagen in allen Lackierungen. Die BR 220 verkehrte zudem mit sogenannten DC-Zügen auf norddeutschen Relationen. Das waren relativ kurze D-Züge, oft komplett aus den sogenannten "Pop"-Wagen gebildet.

Gemischte Güterzüge der Epoche III und IV sind ebenfalls für beide Bauarten korrekt.

Die Beförderung schwerer Züge mit Produkten aus der Montanindustrie entfielen allerdings deutlich auf die BR 221.


Nun wünsche ich viel Freude an den Modellen dieser legendären Lokomotiven...