DB-Baureihe 194 - kleine Modellbahnsachkunde
Das große Vorbild:
Die aus der früheren E 94 hervorgegangenen DB-Variante war bis 1988 bei der Deutschen Bundesbahn unter der Bezeichnung 194 im Einsatz. Die überaus markante und imposante Baureihe war zwar eine klassische Güterzuglokomotive, verfügte aber für den sporadischen Reiseverkehr auch über eine Zugsammelschiene. Bereits mit ihrem ersten Erscheinen im Jahre 1940 setzte die E 94 technische Maßstäbe. Bis 1957 war die Baureihe E 94 unangefochten die stärkste, elektrische Lok der Deutschen Bundesbahn. Erst die neue Einheitsellok E 50 übertraf die Eckdaten der E 94. Dabei basiert die E 50 - ganz im Gegensatz zu allen anderen Einheitselektrokomotiven konstruktiv unmittelbar auf der E 94, obwohl es der Betrachter zunächst kaum vermuten mag. Und hier sind wir auch schon bei einer besonderen Eigenschaft der E 94 und den meisten Loks der Baureihe E 50 - die quergekuppelten Drehgestelle: Was bedeutet das? Obwohl sich die E 94 und E 50 optisch doch weitgehend symmetrisch zeigten, gab es tatsächlich ein konstruktives "Vorne" und "Hinten", also Lokende 1 oder 2. Das lag an den beiden Drehgestellen, von denen nur das Vordere den Festpunkt bildete und der Radsatz 1 gegenüber den restlichen Radsätzen nicht ausgeglichen war. Man spricht auch von einem "stabilen" und "labilen" Drehgestell, denn besagter Festpunkt wurde eben durch den Radsatz 1 gebildet. Der Lastausgleich aller übrigen Radsätze untereinander geschah innerhalb der Drehgestelle durch Ausgleichshebel, während drehgestellübergreifend die sogeannte Querkupplung dafür zuständig war.
In Verbindung mit den ausschließlich vertikal geführten Radsätzen verfügten sämtliche E 94 und E 50 (bis zur Ordnungsnummer 165) über eine unübertrefflich zuverlässige Reibung zwischen Rad und Schiene - selbst bei widrigsten Reibwertverhältnissen. Aus Gründen der Gleisoberbaubelastung wurde jedoch bei späteren Lokomotiven (z.B. 151) andere technische Lösungen gesucht.
Aus heutiger Sicht mag eine E 94 gegenüber den aktuellen, aerodynamischen und bunt beklebten Lokgenerationen geradezu antiquarisch wirken. Das trifft in vielerlei Hinsicht auch sicherlich zu: Ein fordernder Arbeitsplatz aus einer "anderen Welt", gleitgelagerte Radsätze, unzählige Dochtschmierungen und ein hoher Instandhaltungsaufwand sind nur wenige Beispiele, warum eine E 94 nicht mehr dem heutigen Ansprüchen genügen konnte. Reduziert man die E 94 jedoch auf ihre überaus hohe Anfahrzugkraft und Zuverlässigkeit als reines Traktionsmittel selbst für sehr schwere Güterzüge, so erklären sich nebst Nachnutzungszeit Einsatzzeiträume einzelner Exemplare im tagtäglichen, kommerziellen Güterverkehr von weit über 70 Jahren. Eine solche Nutzungsdauer kann eine heutige Hochleistungslokomotive aus verschiedensten, technologischen Gründen beiweitem nicht erreichen.
Aus meiner langjährigen Erfahrung im Umgang mit der Baureihe 194 kann ich jedoch eine unumstößliche Tatsache mitnehmen: Obwohl die installierte Leistung der 194 längst durch moderne Hochleistungslokomotiven weit übertroffen wird, so bleibt die 194 gerade bei schlechtesten Reibwertverhältnissen dazu in der Lage, auch schwerste Züge aus dem Stand in Bewegung zu setzen. Ein unschätzbarer Vorteil gegenüber auch noch so leistungsoptimierten Fahrzeugen, deren Reibungsgewicht und digital eingreifender Elektronik dem Lokpersonal manchesmal unerfreuliche Grenzen setzt. Auch die Störunanfälligkeit gegenüber klimatischen Einflüssen sind bezeichnend.
Pathetischer formuliert:
Die 194 mochte im Vergleich zu modernen Fahrzeugen träger gewesen sein, ließ das Lokpersonal jedoch nicht im Stich.
Dazu trug auch die völlig elektronikfreie, aber dennoch hochanspruchsvolle Arbeitsweise der verbauten Elektrotechnik bei. Zwar verfügte die E 94 über 18 definierte Schaltstufen und entsprechenden Zwischenfahrstufen. Dennoch war das Schalten von Fahrstufe zu Fahrstufe unmerklich sanft - ganz ohne Zugkraftsprünge. Die Zwischenstufen ermöglichen dabei ein Herantreten bis an die Reibwertgrenzen. Das Zusammenspiel der einzelnen eletromechanischen Komponenten der Feinreglersteuerung in Zusammenhang mit dem Niederspannungsschaltwerk ist eine echte Ingenieursleistung damaliger Tage und verdient noch heute Beachtung.
So sind wir bereits an einem technischen Merkmal der 194 angelangt, dessen Begrifflichkeit viele Eisenbahnfreunden oft zu falschen Annahmen verleitet:
Niederspannungssteuerung, Hochspannungssteuerung oder doch nur eine leistungsgesteigerte 194.5 ?
Es ist eigentlich gar nicht so schwer zu unterscheiden, dennoch gehe ich für die geschätzten Modellbahnfreunde und besonders für die Spur-N-Bahner unter uns auf das Thema in sehr knapper Kurzform ein. Schließlich offenbaren sich einige der genannten Begrifflichkeiten auch im Äußeren der Baureihe 194 - was für uns als Modellbahner natürlich von eigentlichem Interesse ist.
E 94 / 194 mit Niederspannungssteuerung:
Das war die Standardausrüstung für fast alle gebauten Exemplare - und zwar unabhängig von der jeweiligen Bauserie. Vom Haupttransformator wurden Anzapfungen von bis zu 536 Volt genutzt, um die Fahrsteuerung zu realisieren. Dabei bildet das sogenannte Niederspannungsschaltwerk ein wichtiges Bindeglied, um die Fahrmotoren stufenweise mit Spannung zu beschalten.
Äußeres Merkmal:
Das charakteristische, hohe Bremswiderstandsdach, zur rechten Lokseite abgerundet.
E 94 / 194 mit Hochspannungssteuerung
Von diesen Versuchslokomotiven gab es nur vier Exemplare, welche sich untereinander optisch und technisch unterschieden.
Die Gemeinsamkeit lagen in der sogenannten Hochspannungssteuerung. Hierbei wurde der Lok-Transformator mit jeweils einer Primär- und Sekundärwicklung genutzt, um primärseitige Anzapfungen mittels Hochspannungsschaltwerk zu schalten. Erst die Primärspule übersetzte um den Faktor 30 in für die Fahrmotoren notwendigen Niederspannungen. Ziel war es, die Schaltströme gering zu halten.
Die vier Versuchslokomotiven mit elektrischen Ausrüstungen unterschiedlicher Hersteller waren diesbezüglich Erprobungsträger für die noch in der Entwicklung befindlichen Baureihe E 10.
Äußeres Merkmal:
Relativ flaches Dach an 194 541 und 542, bzw. deutlich abweichend geformtes Dach an 194 570 und 571. Diese Versuchslokomotiven hatten keine elektrische Bremse, weshalb es also auch keine Luftaustritte aufgrund der nicht vorhandenen Bremswiderstände gab.
E 94.2 / 194.2 / 194.5 - Hochleistungsloks
Bei diesen Lokomotiven handelt es sich grundsätzlich NICHT um Hochspannungslokomotiven, sondern lediglich um leistungsgesteigerte Varianten mit Niederspannungssteuerung. Nur die oben erwähnten vier Hochspannungsloks bilden eine Sonderstellung.
Leistungsgesteigert bedeutet:
Ausschließlich die letzte Serie der DB-Nachkriegs-E 94 erhielten stärkere Fahrmotoren und deshalb einen leistungsfähigeren Haupttransformator. Abgeliefert als E 94.2 und umgezeichnet in 194.2 waren die Loks zunächst trotz Leistungssteigerung nur für 90 Km/h zugelassen. Nicht etwa durch technische Eingriffe, sondern durch bloße Verfügung hob die DB im Jahre 1970 die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 Km/h an und änderte die Betriebsnummern in 194.5 .
Äußeres Indiz:
Das charakteristische, hohe Bremswiderstandsdach, zur rechten Lokseite abgerundet, zur linken Lokseite KEINE vorbeilaufende Dachleitung, sondern eine Kabelverbindung unter dem Laufrost. Diese Äußerlichkeit trifft jedoch auch auf die NICHT leistungsgesteigerten Nachbauloks der DB zu!
Deshalb ist Vorsicht ist geboten:
Sämtliche Nachbauloks der DB (E 94 178 ... 195 und E 94 262 ... 285, resp. Umzeichnungen) verfügten über die absolut selben, konstruktiven Änderungsmerkmale gegenüber den Ursprungs-E 94. Die leistungsgesteigerte Ausfürung konnte - rein äußerlich - letztlich nur durch die Loknummer zweifelsfrei identifiziert werden, denn weder die Fahrmotoren, noch der Transformator lassen sich durch bloßen Anblick der betreffenden 194 identifizieren.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die DB-Nachbauloks noch weitere Änderungen aufwiesen.
Da wären wir auch direkt bei den Bauserien, denn die E 94 hat eine relativ komplizierte Entstehungsgeschichte.
Die folgende Tabelle (nur für DB-Maschinen) soll hierzu einen kleinen Überblick bieten:
Serienloks Kriegsproduktion | Fertigbauloks nach Kriegsende fertiggestellt | Nachbauloks 1. Lieferserie ab 1954 | Nachbauloks 2. Lieferserie "Leistungsgesteigert" | Wichtige Versuchsloks |
E 94 012 bis E 94 159 (mit Lücken durch Kriegsereignisse, sowie 141, 142) | E 94 160, E 94 161, sowie E 94 137 | E 94 178 - E 94 196 | E 94 262 ... E 94 285 (Lücke: 270, 271) | E 94 141, E 94 142 E 94 270, E 94 271 |
ab 1968 | ||||
194 012 ... 159 (Lücken s.o.) | 194 160, 194 161, sowie 194 137 | 194 178...196 | 194 262 ... 194 285 (Lücke: 270, 271) | 194 241, 194 242 194 270, 194 271 |
ab 1970 | ||||
194 012 ... 159 (Lücken s.o.) | 194 160, 194 161, sowie 194 137 | 194 178...196 | 194 562 ... 194 585 (Lücke: 570, 571) | 194 541, 194 542 194 570, 194 571 |
Sichtbare Änderungen gegenüber Serienloks | Sichtbare Änderungen gegenüber Serienloks | Sichtbare Änderungen gegenüber Serienloks | ||
Seitliche Dachleitung auf Stützisolatoren | Seitliche Dachleitung auf Stützisolatoren | Dachleitung seitlich entfällt; stattdessen Kabel unter dem Lufrost | Dachleitung seitlich entfällt; stattdessen Kabel unter dem Lufrost | Völlig abweichende Dachausrüstung |
Vergrößerung der abnehmbaren Seitenwand auf rechter Lokseite | Vergrößerung der abnehmbaren Seitenwand auf rechter Lokseite | Keine abnehmbare Seitenwand | ||
Vorbau 2: Stirnseitige Wartungsklappen in Jalousieausführung (verbesserte Luftpresserkühlung) | Vorbau 2: Stirnseitige Wartungsklappen in Jalousieausführung (verbesserte Luftpresserkühlung) | |||
Vorbauten in Draufsicht: Anzahl der Hebehaken von 3 auf 4 erhöht | Vorbauten in Draufsicht: Anzahl der Hebehaken von 3 auf 4 erhöht | |||
Nicht äußerlich sichtbar: Haupttransformator und Fahrmotoren in leistungsgesteigerter Ausführung |
Die oben erstellte Tabelle ist keineswegs vollständig, da viele weitere Änderungen und individuelle Anpassungen im Verlaufe der langen Betriebszeit dieser Maschinen erfolgte. Als Beispiele dafür seien die unterschiedlichen Stromabnehmerbauarten, Anordnung von Spitzenleuchten in Zusammenhang mit Verschleißpufferbohlen und ggf. separaten Schlussleuchten genannt. Die Baureihe 194 bietet hier einen breiten Variantenreichtum, dessen detaillierte Behandlung hier den Rahmen sprengen würde.
Deshalb beschränke ich mich im Folgenden auf die Spur N-Umsetzungen
In der Baugröße N bietet bisher nur Fleischmann als Großserien-Hersteller zeitgemäße Moelle der E 94, bzw. 194 an, ferner auch die 254 der DR, sowie die ÖBB - Reihe 1020.
Das rd. 50 Jahre alte Modell von Arnold-Rapido sei ebenfalls erwähnt. Die mangelnde Detaillierung des betagten Modells ist unübersehbar und kann kritischen Blicken nach heutigen Maßstäben natürlich nicht mehr standhalten. Ein gut erhaltenes Exemplar gehört daher vielmehr in eine würdige "Nostalgie"-Vitrine.
www.barbaras-spur-n-welten.de
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